Gedanken zum 40-jährigen Jubiläum und den dazu veröffentlichten Broschüren von Krishna Premarupa Dasa
Das Jahr 2020 geht wohl nicht als ein sehr erfreuliches Jahr in die Geschichte der Menschheit ein, sondern viel mehr als eine Zeit voller Schwierigkeiten und Probleme. Auch für den Krishna Tempel war es eine sehr turbulentes Jahr voller Herausforderungen, Krankheiten und Einschränkungen. Wer hätte vor einem Jahr schon gedacht, dass wir den Tempel gleich zweimal schliessen müssen?!
Nicht gerade so wie man sich ein Jubiläumsjahr vorstellen würde! Wir hatten viele Pläne und Ideen fürs 40-jährige Jubiläum, doch die Corona Pandemie machte auch uns einen Strich durch die Rechnung. Und dennoch durften wir sehr schöne Jubiläumsfeste feiern und zwei Jubiläumsschriften veröffentlichen. Eine Broschüre mit Stimmen von ‚aussen‘ (Personen aus der Öffentlichkeit) und eine andere mit Stimmen von ‚innen‘ (Erinnerungen verschiedener Devotees).
Im September kamen Devotees mehrer Generation zusammen um sich an ihre bewegende Zeit im Tempel zu erinnern und im November trafen sich Religionswissenschaftler, Theologen, Lehrer und andere Personen aus der Öffentlichkeit für ein spannendes Podiumsgespräch rund um die Geschichte und Entwicklung der Hare Krishna Bewegung.
Die beiden Jubiläumsschriften sind wertvolle Zeitzeugen dieser beiden Anlässe und vor allem unserer Geschichte und werden ohne Zweifel noch lange über das Jahr 2020 hinaus wertvolle Inputs ausstrahlen.
Jetzt im Nachhinein finde ich es spannend wie gut sich die beiden Broschüren ergänzen. Während die Stimmen von Innen zum Teil sehr kritisch sind, finden wir in den Stimmen von aussen sehr viel Wohlwollendes. Und so sollte es ja eigentlich auch sein, dass man mit sich selber etwas kritisch ist und im Umgang mit anderen sehr Nachsichtig.
Die Wichtigkeit der Selbstkritik hatte ich auch in meinem Vorwort zu ‚Devotees erinnern sich‘ ausgedrückt:
Ein Jubiläum gibt uns die Gelegenheit, zurückzuschauen – nicht nur auf die glorreichen Stunden, sondern auch auf die Herausforderungen und Enttäuschungen. Für gegenwärtige Devotees kann es wertvoll sein, von den Fehlern der Vergangenheit zu hören. Sonst laufen wir Gefahr, die gleichen Fehler zu wiederholen. Oder in den Worten von Konfuzius: „Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten!“
Mir war also klar, dass gerade Devotees aus der älteren Generation sich auch kritisch äussern würden, schliesslich war und ist nicht immer alles rosig. Ich muss zugeben, dass ich dann aber doch etwas ein mulmiges Gefühl hatte, als ich all die kritischen Betrachtungen lass…
„Es geht nicht um eine elitäre Guru-Bewegung / Heute würde ich nicht mehr im Tempel ,joinen’/ Heute würde ich keine Versprechen oder Gelübde mehr ablegen /Die vier Prinzipien sind nur für ältere Mönche relevant, nicht aber für junge Menschen.“
Auch Philippe Dätwyler, ein langjähriger Freund der Devotees wirft in seinem Text Fragen auf, welche zum Nachdenken anregen:
„Wo kippt das Loslassen des Egos in fatale Selbstverleugnung? Wie absolut gelten die Gelübde und der Gehorsam gegenüber dem Guru? Warum vermischen sich Demut und Hochmut so schnell? Und hat der Körper nicht auch seine berechtigten Bedürfnisse? Nach Zärtlichkeit und Sex zum Beispiel. Das mönchische Ideal der Keuschheit, das wissen fast alle Religionen, kann auf die Dauer überfordern. Deshalb sind viele wieder ausgetreten – und versuchen nun ,draussen‘ in der materialistischen Welt, mit bürgerlichem Job und Familie, ihre Liebesgeschichte mit Krishna weiterzupflegen.“
„In dieser Jubiläumsbroschüre drücken Devotees von der ersten Stunde bis zur Gegenwart ihre Erinnerungen, Freuden, Leiden und Wünsche direkt und ehrlich aus. Daraus ist ein buntes Kaleidoskop entstanden, in dem sich die unterschiedlichsten Menschen auf ihrem persönlichen Bhakti-Pfad authentisch darstellen.“
Die Ehrlichkeit, mit welcher mancher Devotees über die Vergangenheit und die eigene inner Haltung sprachen zeigen die folgenden Ausschnitte:
„Ich bilde mir nicht mehr ein, die höchste Wahrheit zu kennen, und andere, die das Krishna-Bewusstsein nicht praktizieren, seien auf einer niederen Stufe. Diese abgehobene Einstellung empfinde ich inzwischen als arrogant / Ja, wir waren jung und meinten, die Auserwählten zu sein. Wir, die Devotees, welche die Wahrheit gefunden haben – und die ,Karmis‘, die in Maya sind. In meinen Augen ist dies ein ziemlich eindimensionales Weltbild / Ich denke, früher war das Krishna-Bewusstsein bei vielen von uns eher aufgesetzt, so wie jemand das weisse Gewand als Arzt oder das Messekleid als Priester trägt. Wenn die Person dann aber meint, das sei sie jetzt – nur, weil sie eine entsprechende Kleidung trägt – ist das natürlich falsch. Ähnlich ist es mit einem Uni- Abschluss – viel Kopfwissen, aber noch keine Erfahrung. Mit anderen Worten: Im Krishna-Bewusstsein muss der innere Werdegang viel stärker gefördert werden. Spirituelle und weltliche Unreife darf nicht mit Fanatismus oder blossen Ritualen kompensiert werden.“
Genau diese Ehrlichkeit macht die Broschüren so authentisch. Dies fiel auch aussenstehenden auf und traf auf viel Wertschätzung. Diese Wertschätzung von aussen, kommt in der zweiten Jubiläumsschrift ‚40 Jahre Krishna Tempel Zürich‘ sehr schön zum Ausdruck.
So schrieb zB Professor Oliver Krüger:
„Während die meisten der neuen religiösen Bewegungen der 1960er-Jahre inzwischen ausgestorben sind, besteht die ISKCON nun in der dritten Generation. Wenn auch die Debatten der Vergangenheit für manche schmerzhaft waren, ist es vielleicht gerade die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion und zu mutigen Reformen, die der kleinen Gemeinschaft das Überleben gesichert haben.“
Auch Sekten-und Religionsexperte Georg Schmid, welcher auch am Podiumsgespräch teilnahm, zählt die ISKCON zu einer der dialog- und reformbereiten religiösen Organisationen:
„ISKCON präsentierte sich als Gemeinschaft, die Raum für unterschiedliche Lebensformen und Grade der Involviertheit zuliess, sich über eigene Stärken und Schwächen Rechenschaft ablegen konnte und Reformen in die Hand nahm. Dies überzeugte den Protestanten in mir: Ecclesia semper reformanda. Auch wenn sich spirituelle Wahrheiten als ewig verstehen, ihre Verkündigung muss sich immer wieder an neue Gegebenheiten anpassen, wenn sie relevant bleiben will. Einige Male durfte ich in den 2010er- Jahren im ISKCON-Tempel Zürich mit den Absolventen der einführenden Bhakta-Kurse die typischen Merkmale problematischer Gemeinschaften diskutieren. Dass sich ihre Neulinge aktiv mit den Kriterien radikaler Religiosität auseinandersetzen, lassen ansonsten nur die grossen Kirchen, offenere Freikirchen und manche liberalen religiösen Gemeinschaften zu. Einen besseren Beleg, einen Tatbeweis dafür, dass ISKCON heute zu den dialog- und reformbereiten religiösen Organisationen gehört, kann ich mir kaum vorstellen.“
Auffallend sind auch die Vielalt der Stimmen, die sich zum Jubiläum äussern. Vom Pfarrer, Theologen, Rabbiner, Moschee-Vorsteher, Vereinspräsidenten, Botschafter, Lehrer, Medienschaffende und Künstler. Sie alle erzählen über ihre Begegnungen mit der Hare Krishna Bewegung. Viele erwähnen wie authentisch und wertvoll sie die Begegnungen empfanden.
Das dass Krishna Bewusstsein universell und all anziehend ist, zeigt sich in Aussagen von Menschen die sonst nicht viel mit Religion zu tun haben, wie zum Beispiel im Beitrag von Rossana Grüter, ehemalige SRF Moderatorin:
„Generell scheint mir der Hinduismus eine sinnliche Religion: Die Küche im Tempel ist ein heiliger Ort, für den man sich schmückt, bevor man ihn betritt. Gegessen wird mit den Händen, getanzt wird täglich und bevor ich es mich versah, spielte auch ich plötzlich Cinellen in der Band, die Krishna jeden Morgen mit Musik begrüsst. Ich bin wirklich keine gläubige Person. Und dennoch haben mich die vielen Farben, Gerüche, Klänge und liebevollen kleinen Gesten, die ich im Krishna- Tempel in Zürich sehen, schmecken und erleben durfte, noch lange beschäftigt. Eine Prise von dieser Wärme und Sinnlichkeit täten jeder und jedem von uns gut.“
Schön wenn ein Tempelbesuch solche Eindrücke hinterlässt und die Aussenwelt eine immer grössere Wertschätzung und Akzeptanz für unsere Bewegung zeigt. Damit wächst natürlich auch die Verantwortung, den Ansprüchen gerecht zu werden und tatsächlich eine reife und authentische Spiritualität vorzuleben bevor man die Welt reten will oder wie es ein Chinesisches Sprichwort sagt: „Wer die Welt in Ordnung bringen will, gehe zuerst drei Mal durchs eigene Haus.“
Die Broschüren sind im Tempelshop erhältlich und stehen auch als pdf auf unserer Website www.krishna.ch als download zur Verfügung. Viel Inspiration und Vergnügen beim Lesen!